Für alle, die genauso schockiert sind wie wir, dass heute nicht der zweite Advent ist, sondern sogar schon der dritte(!): unser Spiri-Ausschuss schenkt euch trotz einer turbulenten Zeit ein wenig Ruhe und Gelassenheit 🙂

Geschenkte Sekunde

Die Schweizer Bahnhofsuhren bleiben regelmäßig stehen. Das ist einer ihrer größten Stärken. Vor 76 Jahren hat der Elektroingenieur und Gestalter Hans Hilfiker seinerseits bei den Schweizerischen Bundesbahnen angestellt, diese stilprägende Uhr entworfen. Hilfiker wollte 1944, dass alle Bahnhofsuhren synchron laufen. Dafür benötigte sie den Impuls von einer Hauptuhr. Die Übertragung eines solchen Impulses hat in den 1940er- Jahren allerdings eineinhalb Sekunden gedauert.

Als Hilfiker der Uhr den ursprünglichen noch fehlenden, charakteristischen roten Sekundenzeiger mit der stilisierten Schaffnerkelle an der Spitze hinzugefügt hat, beschleunigte der Ingenieur diesen Zeiger. Er läuft seither in 58,5 Sekunden einmal um die Uhr, verharrt dann auf der Zwölf-Uhr-Position, bis der Zeitimpuls kommt und die nächste Minute anbricht.

Technisch ist das inzwischen nicht mehr erforderlich. Doch es gilt nach wie vor, was Hans Hilfiker einst über die technisch notwendige kleine Rast des Sekundenzeigers gesagt hat:

Unmittelbar vor der Abfahrt bringe sie „Ruhe in die letzte Minute und erleichtert eine pünktliche Zugabfertigung“.

Das Verharren des Sekundenzeigers suggeriert dem Reisenden außerdem, dass er immer noch ein kleines bisschen Zeit hat, seinen Kaffee noch auszutrinken, über den Bahnsteig zum richtigen Waggon gehen kann, statt rennen zu müssen. Die Schweizer Bahnhofsuhr kombiniert beides: Die präzise Bemessung und den gefühlten Verlauf der Zeit. Wobei sie den Reisenden, der zu ihr aufblickt, eben nicht hetzt, sondern ihm einen kleinen Puffer einräumt, der ihn mit Ruhe und Gelassenheit unterwegs sein lässt.

– Stefan Fischer –